Die Geschichte der Gemeinde Thüle
Das Dorf Thüle kann als eine Überleitung vom Lippegebiet, zu ein es nicht mehr gehört, und zum Hellweg, dem es sich annähert, angesprochen werden. Es liegt nur 2 km von der alten Adelsresidenz Boke an der Lippe entfernt, während der Abstand bis zum neuen Amtssitz Salzkotten am Hellweg 4 km beträgt. Auch in seiner Siedlungsweise bildet es einen Übergang von der Streusiedlung Boke zum festgefügten Stadtplan Salzkotten und den geschlossenen Ortschaften am Hellweg. Um den festen Ortskern der romanischen Basilika ist eine bäuerliche Siedlung mehr nach Art eines geschlossenen Dorfes entstanden, das erst durch die spätere Ansiedlung der Kötter und Neubauern seine Weite erfahren hat. Im ausgedehnten Mittelalter bildete sich auf dem Boden des alten Thüler-Hofes der Adelssitz heraus, der sich bald zum geographischen und politischen Zentrum des Dorfes auswuchs, so dass heute die Dorfanlage durch Kirche und Wasserburg ihr besonderes Gepräge erhält. Der Name Thüle wird gewöhnlich abgeleitet von tül = Dreieck, ein dreieckig zulaufendes Stück Land. Eine zweite Deutung zerlegt den Namen in die Bestandteile tul als Name des Baches und loh, das bedeutet Gehölz. Diese letztere Deutung scheint richtiger zu sein, denn in einer Niederschrift des alten Edelhauses Lippe-StörmedeBoke schreibt man: "Thule (alt Thiu-lo) am Erlbach". Der Name des Dorfes wird zum ersten Male im 9. Jahrhundert erwähnt. Damals hatte das alte Sachsen-Kloster Corvey an der Weser im Lippegebiet und am Hellweg ausgedehnten Grundbesitz. Ein Graf Bardo schenkte dem Kloster seine Güter in Thüle. In den Anmerkungen heißt es dann: "Thiuhili villa in Registro nostro ponitur intra pagum Patherga. Designatur ergo sine ullo dubio vicus Thule intra terram episcopatus Paderbornensis haud procul ab oppido Salzkotten, uno milliari circiter distans ab lirbe Paderborna." Das heißt zu deutsch frei übersetzt, dass Thüle ein Dorf ist, gelegen im Padergau. Es ist also ohne Zweifel erwiesen, dass das Dorf Thüle innerhalb des Machtbereiches des Paderborner Bischofs liegt, unweit der Stadt Salzkotten, ungefähr eine Meile von der Stadt Paderborn entfernt. Diese Schenkung ist nicht datiert, fällt aber nach Angabe der Quelle in die Zeit von 826 bis 853. (Ab anno 826 usque 853 imperante Hludovico.) Die späteren häufigen Erwähnungen verdankt das Dorf Thüle dem dort ansässigen Adelsgeschlechte, das als Inhaber des Hofes zu Thüle seinen Namen seiner Residenz entlehnt hat. |
||||
Die Herren von Thüle |
||||
Die Geschichte des Ministerialengeschlechtes von Thüle hat Giefers in Form einer chronologischen Übersicht durch mehr als 3 Jahrhunderte verfolgt. (Giefers, Reg. u. Urk. zur Gesch, des Rittergeschlechtes von Thüle.) Die wichtigsten Ereignisse hieraus vom Ende des 13. bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts sind folgende: | ||||
1283. | Nikolaus De Tule tritt als Zeuge in einer Schenkung des Edelherrn Bernhard von Oesede auf. | |||
1324. | Conradus plebanus ecclesiae Delebruggen (Kirchspiel Delbrück) wird als Zeuge genannt. Mehrere Mitglieder der Familie von Thüle sind im 14. Jahrh. mit der Entwicklung der Delbrücker Pfarrkirche eng verknüpft. | |||
1338. | Der Knappe Konrad von Anreppen einigt sich mit Gottschalk von Thüle über ihre Höfe in Bentfeld im Kirchspiel Boke. Als Zeuge erscheint wieder Konrad von Thüle, Pfarrer zu Delbrück. In einer weiteren Urkunde über die Stiftung eines 2. Altares in der Kirche zu Delbrück im Jahre 1342 wird ausführlich gesagt, dass der Pfarrer Konrad aus dem Geschlechte von Thüle stammt. | |||
1351. | Johannes von Thüle und seine Frau Beatrix schenken der neu erbauten Kirche ad S. Joan, Bapt. zu Salzkotten drei Hufen Landes. | |||
1355. | Der Knappe Gottschalk von Thüle und seine Frau Gisela von Krevet erhalten von Johann von Krevet (Burg in Verne) den Hof zu Westerenasche im Kirchspiel Boke und Güter im Dorf Scharmede. | |||
1368. | Johann und Claves von Thüle, Gebr. und ihr Vetter Konrad teilen ihre Güter in Thüle, Scharmede und Delbrück. 1374. Eyn alteriste in der kercken to Delbrugge ist Johann von Thüle. | |||
1410. | Johann von Thüle wird von Bernd VI, Herrn zur Lippe, mit dem Hof zu Thüle im Kirchspiel Boke belehnt. | |||
1437. | Johann und Peter von Thüle verkaufen alle ihre Güter im Kirchspiel Thüle an Bernd von Hörde zu Boke. Darunter ist auch der Hof zu Thüle neben dem Pfarrhause. | |||
1462. | Die Brüder Cord. Friedrich und Johann von Oynhausen verkaufen mit Genehmigung des Erzbischofs Dietrich von Köln dem Boker Ritter Bernd von Hörde den Hof zu Thüle. | |||
1467. | Ritter Bernd von Hörde zu Boke wird von Bernhard von der Lippe mit dem Richterhofe zu Thüle und sein Bruder Dietrich mit dem rechten Hofe zu Thüle, der Mühlenstätte auf der Tulerbeke und dem Gute Wythem bei Geseke belehnt. | |||
1575. | In der Erbhuldigung aller Untertanen der Dörfer der Herrschaft Boke auf der Dreckburg bei Salzkotten am 10. Februar 1575 werden die Thüler Besitzungen als Eigentum derer von Hörde zu Boke anerkannt. | |||
1603. | In dem auf der Ritterversammlung zu Altenheerse ausgestellten Matrikel hatten die von Thüle 8 Taler und die von Adelebsen, die als Nachfolger derer von Hörde im Besitz, der Thüler Güter waren, auch 8 Taler Rittersteuer zu zahlen. | |||
1626. | Im Jahre 1626 starb Raban von Thüle. Sein Sohn, der letzte im Mannesstamme, starb im jugendlichen Alter von 20 Jahren im kaiserlichen Lager an der Weser. Seine einzige Schwester Anna Sybilla heiratete 1627 Gerhard von Ketteler zu Gerkendael. | |||
Die Pfarrei ThüleDie genaue Entstehung der Pfarrei Thüle ist urkundlich nicht mehr nachzuweisen. Den ersten Hinweis über eine Pfarrei finden wir im Jahr 1437. Damals verkauften Johann und Peter von Thüle alle ihre Güter im Kirchspiel Thüle an Bernd von Hörde zu Boke, darunter auch den Hof zu Thüle neben dem Pfarrhause. Leider sind von dieser Zeit an bis zum 30jährigen Krieg keine schriftlichen Unterlagen mehr erhalten. Wahrscheinlich sind sie, als die Schweden 1633 in Salzkotten lagen und Ost-Thüle von ihnen niedergebrannt wurde, darunter auch das Pfarrhaus, mit vernichtet worden. Erst der Pfarrer Johannes Christophorus Contzen schrieb 1727 die älteste erhaltene Pfarrdironik. Pfarrer Contzen berichtet, dass in dem Türbogen über der großen Tür am alten Pfarrhause zu lesen stand: Anno Dusent vif Hundert Seventi 2. Das ist das Jahr 1572. Thüle gehörte früher zur Pfarrei Boke. Wann die Abpfarrung erfolgte, ist nicht nachzuweisen. Diesbezüglich ist Pfarrer Contzen im Jahre 1725 mit dem Boker Pfarrer Samuel Friedrich de Weßner in heftige Auseinandersetzungen geraten. Der Boker Pfarrer sah in dem Thüler Geistlichen nur seinen Kaplan, den er zu jedem kirchlichen Dienst als seinen Stellvertreter ohne Entgelt heranziehen konnte. Pfarrer Contzen hat dem Boker Pastor jedoch nachgewiesen, dass nach den Hausakten der Thüler Pfarrer in allem einem wirklichen Pfarrer gleichgestellt war. (Siehe Pichter Lib. 1 tit 28. § 3.-) Die Pfarrei war in jener Zeit nicht groß. Es gehörten zu ihr die beiden Dörfer Thüle und Scharmede mit etwa 600 Kommunikanten, also erwachsene Katholiken. Der Pfarrer bekam kein Gehalt, wie es heute der Fall ist, sondern musste von seinen Ländereien und den Gebühren, die von den Gläubigen für kirchliche Dienste gezahlt werden mussten, leben. So mussten zum Beispiel bei einer Taufe von jedem Paten, wenn es ein hiesiges Pfarrkind war, 2 Groschen, von einem auswärtigen Paten 4 Groschen geopfert werden. Der Kirchturm, das Pastorat und das Haus des Küsters mussten von der Gemeinde in Dach und Fach erhalten werden, die Kirche allerdings musste von ihren Einkünften selbst Instandhalten werden. Viermal im Jahr musste der Pastor zu Thüle in der Kapelle zu Scharmede Gottesdienst halten. Diese alte Kapelle, deren Schutzheilige die hl. Katharina war, ist 1669 zusammen mit dem Dorf Scharmede abgebrannt. Die neue Kapelle ist nicht wieder eingeweiht worden. Aus diesem Grunde durfte eigentlich dort kein Kirchweihgottesdienst abgehalten und das Evangelium von Kirchweihfest verlesen werden. Da allerdings die Bevölkerung von Scharmede von dieser Unterlassung nichts gewußt hat, sind die Pastöre von Thüle nicht kleinlich gewesen und haben den Gottesdienst in alter Weise gefeiert. Zweimal im Jahr, verpflichtet durch die frühere Zusammengehörigkeit von Boke und Thüle, musste der Thüler Pastor in Boke Messe und Predigt hatten, und zwar am Montag in der Bittwoche und am Feste der hl. Apostel Simon und Juda. Außerdem musste er bei der Feldmarkprozession in Boke das hochwürdigste Gut von "Töllen Kreuz' bis "Pahls Heiligenhäuschen" tragen. Der Boker Pastor dagegen musste am Dienstag in der Bittwoche und am Feste des hl. Laurentius in Thüle Gottesdienst und Predigt halten. Das sind alte Rechte und Pflichten, die zum Teil noch bis auf den heutigen Tag erhalten sind. Die Boker Pfarrer haben außerdem das Präsentationsrecht der Thüler Pastöre. Dieses Recht ist auch bis in die jüngste Vergangenheit ausgeübt worden. Nur mit wenigen Ausnahmen ist dieses Recht von der bischöflichen Behörde in Paderborn erfüllt worden. Hiermit ist die Frage nach den Thüler Pfarrern angeschnitten. |
||||
Die Pfarrer von ThüleWie in den meisten Kirchspielen, so ist auch in Thüle eine lückenlose Folge der Pfarrer erst seit dem Dreißigjährigen Kriege bekannt.
|
||||
Die St. Laurentius Pfarrkirche zu ThüleDie altehrwürdigen romanischen Pfarrkirchen zu Thüle, Hörste, Boke und die Reste der verwandten Anlagen der stark vorbauten Kirchen zu Verne und Delbrück bilden eine Einheit. Ihr Grundriß und die Einzelanordnung machen es wahrscheinlich, dass sie nach gleichem Plane, vielleicht von demselben Baumeister geschaffen worden sind. Auch die annähernd gleiche Zeit der Entstehung kurz vor oder nach 1200 bestätigt diese Vermutung. In der unverwüstlichen Schwere des Mauerwerks mit dem wuchtigen Vierkantturm als Abschluß, in dem einfachen Grundriß und der auf den ersten Blick überschaubaren Innengliederung sind sie beredte Zeugen einer ausgesprochenen westfälischen Bauweise und in ihrem ehrwürdigen Alter lebendige Sinnbilder der Unvergänglichkeit christlichen Glaubensgutes. Im Mittelpunkt des Dorfes erhebt sich auf einer natürlichen Bodenerhöhung die alte St.-Laurentius-Pfarrkirche, die trotz der baulichen Veränderungen in der Frontansicht des alten nördlichen Seitenschiffes und des gedrungenen Westturmes den Charakter einer wehrhaften Gottesburg bewahrt hat. Patron der Kirche ist der heilige Laurentius, ein Märtyrer der Valerianischen Christenverfolgung, über dessen Grab die berühmte Basilika SANKT LORENZO fuori, le mura, eine der sieben Hauptkirchen der Stadt Rom, erbaut wurde. Nebenpatron ist der fränkische Heilige Vitus. Dies weist noch auf die alten Hoheitsrechte hin, die das Sachsenkloster Corvey seit dem 9. Jahrhundert im Paderborner Lande besaß. Aus diesem Grunde sind im Kirchenfenster des Chores - rechts vom Hochaltar - die Bilder vom Heiligen Laurentius und vom Heiligen Vitus, auf der anderen Seite -- links vom Hochaltar - die vom Diözesänpatron St. Liborius und von der Patronin der alten Kapelle zu Scharmede, der Heiligen Katharina, zu finden. Der älteste Teil der jetzigen Pfarrkirche ist ohne Zweifel der schwere vierkantige Westturm. Er ist als Wehrturm um das Jahr 1020 erbaut und der älteste Kirchturm des Kreises Büren. Die Anlegung des Mauerwerkes weist einen erheblichen Unterschied gegenüber der späteren alten Kirche auf. Man verarbeitete zur damaligen Zeit Kalksteinschollen, die man willkürlich aufeinander schichtete und die Fugen mit heißem, gelöschtem Brandkalk ausgoß. Dieses Mauerwerk weist heute noch eine solche Festigkeit auf, dass man ihm mit Hammer Lind Meißel kaum etwas anhaben kann. Die später angebaute Kirche war ursprünglich eine romanische Basilika. Sie umfaßte ein Mittelschiff von 2 Joch Länge mit Kreuzgewölbe und einem Joch als Chorraum. Um den Turm an die Kirche anzugleichen, wurde dieser um ein Geschoß höher gezogen, ohne dabei an Wucht und Schwere einzubüßen. Diese bauliche Veränderung läßt sich noch heute an den roten Schlußsteinen in den oberen Schallöffnungen ablesen, da dasselbe Gestein auch an dem um dieselbe Zeit geschaffenen Nordportal Verwendung gefunden hat. Die Schallöffnungen weisen noch die alten romanischen Teilungssäulchen auf. Die Bedachung des Turmes mit einer flachen Haube anstatt eines spitzen Helmes ist dem Gesamtbau angepaßt. Der Zugang zum Turm war nur von außen durch ein rundes Treppentürmchen möglich, da sein unteres Stockwerk noch zum Innenraum der Kirche gezogen wurde. Außer dem massiven Wehrturm ist das Nordportal in seiner ursprünglichen Form erhalten. Seine Ähnlichkeit mit dem Südportal in Boke und Hörste ist klar ersichtlich. Es ist ein niedriges, von schlichten romaniscchen Säulen mit Eckblatt an den Basen und den Würfelkapitälen eingefaßtes Portal. Ein seilartiger, sich nach oben verjüngender Wulst grenzt ein Tympanon ein, das aber leider in späterer Zeit erneuert worden ist. Auch die Fratze in der Mitte des Wulstes ist nicht alt, sondern erst beim Kirchenneubau 1897-98 dort angebracht worden. Ein Beweis für das Alter des Nordportals sind auch die eigenartigen Rillen oder gewaltsamen Einkerbungen im Sandstein der Türfassung. Die Deutung dieser Einschnitte als Spuren der früher üblichen Entschärfung der Schwerter nach dem Kampf scheint nicht überzeugend. Sie gehört vielmehr in das umfangreiche Kapitel des Abwehrzaubers im Mittelalter. Wie die Menschen in ihrem Aberglauben mannigfache Kräuter öder die Erde vom Friedhof als Abwehrmittel gegen Krankheiten bei sich trugen, so haben sie auch den aus den Einkerbungen gewonnenen Sandsteinstaub des hl. Gotteshauses mit in ihre Häuser genommen und als Heilmittel gebraucht. Die erste Erweiterung der romanischen Basilika geschah um 1600. Ferner ließ der Pfarrer Hermann Hudit, der von 1690-1718 in Thüle amtierte, der Länge nach das Gotteshaus vergrößern. Gleichzeitig wurde an der Nordseite eine Sakristei angebaut. Bei dieser Umgestaltung mussten die kleinen rundbogigen Fenster breiteren Öffnungen weichen. Der Innenraum ist 32 in lang und 7 m breit. Die Kreuzgewölbe im Mittelschiff und im Chor ruhen auf viereckigen Wandvorlagen zwischen Rundbogenquergurten und Wandbogen. Die runden Pilaster reichen bis zu den Gewölbegräten, die ohne Kämpfer aufsteigen. Als die Kirche gegen Ende des vorigen Jahrhunderts die Zahl der Gläubigen nicht mehr zu fassen vermochte, wurde im Jahre 1898 an der Südseite ein zweites Mittelschiff und ein Seitenschiff angebaut. Bei diesem Neubau der Pfarrkirche, dessen Kostenanschlag 45 000 Mark betrug, wäre im Jahr 1897/98 das schöne alte Portal mit dem niedrigen, mit Kreuzgewölben gedeckten nördlichen Seitenschiff fast der Spitzhacke zum Opfer gefallen. So schreibt der Thüler Chronist zum Jahr 1897: "Im Oktober wurde mit dem Kirchenbau begonnen. Leider darf die alte Kirche nicht abgebrochen werden, weil sie ein altes Bauwerk aus dem 11. Jahrhundert ist und deshalb als geschichtliches Kunstwerk erhalten werden muss. Den Anstoß dazu gab die Filialkirchengemeinde Scharmede, die damals gegen den Kirchenneubau war. Als am 26. Oktober 1897 die feierliche Grundsteinlegung erfolgte, waren von der Gemeinde Scharmede nur 3 bis 4 Personen anwesend. Der Neubau ist im neugotischen Stil gehalten. Dieser Baustil ist heute etwas umstritten, da diese Bestrebungen um die Jahrhundertwende praktisch nichts Neues brachten, sondern nur eine Nachahmung des alten gotischen Stiles waren. Trotzdem, wenn man den Innenraum des Gotteshauses ohne Voreingenommenheit betritt, wird man tief beeindruckt. Die Größe der Halle, die kostbare Innenausstattung namentlich die Flügelaltäre, meisterhafte Bildhauerarbeiten in naturfarbigem Eichenholz, sie wirken nicht aufdringlich, aber sie sprechen doch ihre eigene Sprache der westfälischen Schlichtheit und Zuverlässigkeit. Drei große Wandgemälde bringen die wichtigsten Begebenheiten aus dem Leben des hl. Laurentius. Dieses Gotteshaus ist unter großen Opfern der Thüler Bevölkerung fertiggestellt. Es gab keinen Zuschuß, die Kosten mussten von der Thüler Gemeinde allein aufgebracht werden. Thüler Bauern fuhren mit ihren pferdebespannten Fuhrwerken die Bruchsteine heran. Der Bauer Georg Küsterarent brachte das erste Fuder Steine und erhielt nach alter Sitte vom damaligen Pastor Borgmeyer ein rotes Taschentuch. Ferner ist für lange Zeit das gesamte Jagdgeld der Gemeinde für den Kirchenneubau zur Verfügung gestellt worden. An das Letztere erinnern die drei Hasen, die als Wappen am ersten Weihauchloch vor der Orgelbühne angebracht sind. Es ist eine verkleinerte Nachbildung des "Dreihasenfensters' am Dom zu Paderborn. Sehr schön und wertvoll sind die Meßgewänder, die zum Teil aus der Gemeinde gestiftet worden sind. Das neue Gotteshaus wurde am 29. November 1898 eingeweiht. Die Kosten für den Neubau beliefen sich auf rund 50000,- Mark. Das war allerdings nur der Betrag für das nackte Mauerwerk, denn die Kosten für die Innenausstattung haben diesen Betrag weit verdoppelt. So kostete der Hochaltar, der 1900 gekauft wurde und von dem Bildhauer Pehle angefertigt war, mit Sockel rund 13 000,- Mark. Der er von dem gleichen Bildhauer hergestellt und dessen Kosten zum Teil von dem Bauern Klüner aus Thüle getragen wurden, den Betrag von rund 6000 Mark. Hier noch einige Daten kurz zusammengefaßt:Die Kommunionbank 550 Mark, die Kanzel 2250 Mark, die drei Beichtstühle 1850 Mark, Herz-Jesu-Statue 1500 Mark, Kirchenbänke 2500 Mark, Taufstein 1772 Mark, die beiden Bildwerke in der Taufkapelle Pieta und Tod des hl. Josef 3050 Mark, Kirchenfenster rund 2500 Mark, eine Monstranz 3000 und eine Monstranz 700 Mark. Das sind nur einige Ausschnitte aus der Vielzahl der Summen, die erforderlich waren, um das Gotteshaus in der heutigen Pracht erstehen zu lassen. Woher hat man das Geld genommen? Als Pfarrer Borgmeyer 1897 den Kirchenneubau begann, hatte er 40000,- Mark zur Verfügung. Die Gemeinde spendete von 1897-1914 an Geldern, die von den Pächtern der Thüler Jagd gezahlt werden mussten, 25000,- Mark. Außerdem sind Ländereien der Gemeinde verkauft worden, so z. B. die sogenannte Schweinehude, und das hierdurch gewonnene Geld für den Neubau investiert. Außerdem viele Spender. die nirgendwo verzeichnet sind, weil sie ungenannt bleiben wollten, deren Opfer aber erheblich zur Deckung der Kosten beigetragen hat. Nicht zuletzt sei aber auch der uneigennützige Arbeitseinsatz der Thüler Bevölkerung erwähnt, die sich größtenteils kostenlos oder für geringes Entgelt für den Neubau zur Verfügung stellte. Die Bauern Jodokus Wiechers und Georg Schwerter fuhren z. B. den ganzen Sand, der für den Bau gebraucht wurde. Aus diesem Grunde sprechen die Thüler, auch wenn sie heute vielleicht, durch Arbeitsmöglichkeiten bedingt, in anderen Orten wohnen, nicht von der Kirche in Thüle sondern von unserer Thüler Kirche. Diese Verbundenheit zur Kirche und ihrem Pastor hat sich bis in die jüngste Zeit erhalten. Ist die Bevölkerung auch sonst noch so sparsam und trägt das Geld im blauen Arbeitskittel zur Sparkasse, während es in anderen Gemeinden im Stehkragen wieder heruntergeholt wird, (bildlich gesprochen) für die Ausschmückung und Erhaltung der Kirche ist immer etwas übrig gewesen. So konnte Pfarrer Holtkamp 1948 kurz nach der Währungsreform bei einer Sammlung für die neuen Glocken 3562,- DM verbuchen (vorher waren schon Kartoffeln, andere Naturalien und Ziegelsteine für diesen Zweck gesammelt worden). 1950 bekam die Thüler Kirche einen neuen Kreuzweg. Pfarrer Schulte hatte ihn kurz nach dem 2.Weltkrieg bestellt und bereits 5000,- Mark bezahlt. Sieben Stationen waren bis zur Währungsreform fertig. Die restlichen sieben Stationen mussten mit DM bezahlt werden und kosteten 2450,- DM. Dieser Kreuzweg sollte ein Vermächtnis von Pfarrer Schulte an die Thüler Kirche sein. Leider hat er die Vollendung seines Werkes nicht mehr erlebt, da er 1945 starb. Am 19.11.1948 bekam die Thüler Kirche eine neue Turmuhr mit Angelusgeläut. Als einen Höhepunkt in der Geschichte der Thüler Kirche können wir das Jahr 1959 ansehen. Die Orgel, die schon in der alten Kirche treu und brav ihren Dienst verrichtet hatte, war im Laufe der Jahre derart altersschwach geworden, dass sie oft nicht mehr zur Verschönerung des Gottesdienstes und zur Erbauung der Gläubigen beitrug, sondern durch klägliche Heultöne empfindlich störte. Königinnen haben scheinbar ihre Mucken, denn diese Heultöne kamen fast immer in dem Augenblick, wenn sie absolut nicht dahingehörten. Aber halten wir der alten Dame zugute, dass sie im Laufe der Zeit viel auszustehen hatte. Die etwas feuchte Westseite der Kirche hatte teilweise ihre Register verklemmt. Der Wurm hatte ihr Holz zernagt und die Meßbuben hatten ihren Blasebalg so oft gedrückt und gestoßen, dass auch er nur noch unter Ächzen und Stöhnen den nötigen Wind für die Pfeifen hergab. So musste wohl oder übel eine neue Orgel angeschafft werden. Der Auftrag wurde der Orgelbaufirma Stegerhoff in Paderborn erteilt. Es ist eine pneumatische Orgel von 24 Registern, 2 Schwellwerken und einem Tremulator. Der Preis war 35 000 DM. 29 000 DM wurden hierfür aus der Gemeinde aufgebracht, der Rest von 6 000 DM wurde vom Generalvikariat in Paderborn als Zuschuß gegeben. Die neue Orgel ist am Michaelstag 1959 eingeweiht. Als Abschluß und Ergänzung kam noch eine neue elektrische Nummerntafel zum Preise von rund 1800 DM dazu, die 1960 angelegt wurde. Ein Bauwerk wie die Thüler Kirche erfordert laufend Kosten, die in Form von Reparaturen anfallen, und es ist nur zu wünschen, dass auch in Zukunft die Thüler in der Gebefreudigkeit für ihre Kirche nicht erlahmen, da das Kirchendach einer dringenden Instandsetzung bedarf und auch ein neuer Innenanstrich zu wünschen wäre. |
||||
|
||||